Zwischen Effizienz und Innovation: Ambidextrie als Schlüsselstrategie

Die neue Realität der Unternehmensführung
Disruptive Technologien, sich rasant verändernde Kundenbedürfnisse, geopolitische Unsicherheiten, globaler Wettbewerbsdruck: In einer sich permanent wandelnden Wirtschaftswelt müssen Unternehmen schneller und flexibler agieren als je zuvor. In dieser neuen Realität reicht es nicht mehr, nur effizient zu sein – oder nur innovativ. Die Königsdisziplin heißt Ambidextrie: die Fähigkeit, das Bestehende zu optimieren und gleichzeitig Neues zu schaffen.
Doch wie gelingt dieser Spagat? Und warum ist er heute erfolgskritischer denn je?
1. Ambidextrie: Begriff, Ursprung und wissenschaftliche Fundierung
Was bedeutet Ambidextrie? Der Begriff Ambidextrie stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Beidhändigkeit. In der Organisationsforschung wurde er von Michael Tushman und Charles O’Reilly (1996) geprägt. Sie definierten Ambidextrie als die Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig inkrementelle Verbesserungen (Exploitation) und radikale Innovationen (Exploration) zu verfolgen.
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Exploitation umfasst die Nutzung und Optimierung bestehender Ressourcen, Prozesse und Geschäftsmodelle. Ziel ist es, Effizienz, Qualität und Zuverlässigkeit zu steigern.
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Exploration beschreibt das Suchen nach neuen Möglichkeiten, Technologien und Märkten. Hier stehen Kreativität, Experimentierfreude und Risikobereitschaft im Vordergrund.
Warum ist Ambidextrie kein Widerspruch? Lange galt die Annahme, dass Unternehmen sich entweder auf Exploitation oder Exploration konzentrieren müssen; beide Ansätze erfordern unterschiedliche Strukturen, Kulturen und Führungsmodelle. Die Forschung der letzten zwei Jahrzehnte zeigt jedoch: Die erfolgreichsten Unternehmen sind diejenigen, die beides gleichzeitig beherrschen –bewusst, strukturiert, strategisch verankert. Unternehmen mit hoher Ambidextrie erzielen überdurchschnittliche Innovationsraten, sind krisenresilienter und wachsen nachhaltiger.1
2. Das Ambidextrie-Dilemma: Warum ist die Umsetzung so schwierig?
Strukturelle und kulturelle Spannungsfelder: Die Herausforderungen der Ambidextrie liegen tief in der DNA vieler Unternehmen.
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Strukturen: Effizienz verlangt nach klaren Prozessen, Hierarchien und Kontrolle. Innovation dagegen benötigt flexible, agile Teams, flache Hierarchien und Freiräume.
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Kultur: Effizienzorientierte Kulturen belohnen Fehlervermeidung, Stabilität und Planung. Innovationskulturen fördern Risikobereitschaft, Experimentierfreude und das Lernen aus Fehlern.
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Führung: Effizienz erfordert Steuerung, Monitoring und Zielorientierung. Innovation verlangt nach Inspiration, Empowerment und Toleranz für Unsicherheit.
Das Dilemma: Die Logiken von Effizienz und Innovation widersprechen sich oft im Alltag. Viele Unternehmen pendeln zwischen den Extremen – sie sind entweder zu effizient (und damit träge) oder zu innovativ (und damit instabil). Die Kunst liegt darin, die richtige Balance zu finden und beide Pole systematisch miteinander zu verbinden.

Wer nur innovativ ist, verbrennt Ressourcen.
Dr. Giordano Koch, Managing Director HYVE – a Qvest company
3. Ambidextrie in der Praxis: Modelle, Methoden und Best Practices
a. Strukturelle Ambidextrie: Aufbau paralleler Organisationseinheiten
Unternehmen wie Siemens, Bosch, BMW oder Amazon setzen auf strukturelle Ambidextrie:
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Kerngeschäft (Exploitation): Prozesse sind standardisiert, Verantwortlichkeiten klar geregelt. Ziel ist operative Exzellenz.
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Innovationseinheiten (Exploration): In eigenen Innovationslaboren, Inkubatoren oder agilen Projektteams werden neue Ideen unabhängig vom Tagesgeschäft entwickelt und getestet.
Praxisbeispiel: Bosch betreibt eigene Innovation Labs und Start-up-Inkubatoren, die bewusst unabhängig vom Kerngeschäft agieren. Gleichzeitig existieren Schnittstellen, über die sich erfolgreiche Ideen in bestehende Geschäftsbereiche integrieren lassen – ohne an Innovationskraft zu verlieren.
b. Kontextuelle Ambidextrie: Flexibilität auf individueller Ebene
Nicht immer ist eine strikte Trennung sinnvoll. Kontextuelle Ambidextrie befähigt Mitarbeitende, je nach Situation zwischen Effizienz und Innovation zu wechseln.
Voraussetzung:
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Führungskräfte, die situativ führen und Entscheidungen delegieren.
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Eine Kultur, die kreative Initiative ebenso wertschätzt wie Verlässlichkeit im Alltag.
Praxisbeispiel: Der US-Konzern 3M erlaubt Mitarbeitenden, 15 % ihrer Arbeitszeit für eigene Innovationsprojekte zu nutzen. Dabei gilt: Wer eine Idee hat, darf sie verfolgen – aber Qualität und Zuverlässigkeit im Kerngeschäft bleiben Pflicht. So entsteht Raum für Neues, ohne Bestehendes zu gefährden.
c. Leadership Ambidextrie: Die Rolle der Führung
Ambidextre Führungskräfte sind Brückenbauer:
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Sie erkennen, wann Kontrolle und wann Freiraum gefragt ist,
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Sie fördern Talente, die in beiden Welten wirksam sind,
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Sie schaffen eine Vision, die Effizienz und Innovation verbindet,
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Sie halten Spannungsfelder bewusst aus – und nutzen sie als Quelle für Transformation.
Praxisbeispiel: Seit Satya Nadella CEO ist, hat sich Microsoft grundlegend gewandelt: Vom reinen Software-Riesen hin zum innovationsgetriebenen Cloud- und KI-Unternehmen. Dabei blieb das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich – weil das bestehende Geschäft weiterentwickelt, nicht aufgegeben wurde.
Unser Tipp: „Ambidextrous leadership“ im Qvest Talk
Schauen Sie sich unbedingt unser aktuelles Video an: Dr. Giordano Koch und Konstantin Knauf beleuchten Ambidextrie aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zeigen anhand konkreter Beispiele aus der Medien- und Unterhaltungsbranche, warum das Konzept heute unverzichtbar ist.
4. Methoden und Tools für ambidextre Organisationen
a. Innovationsmanagement
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Stage-Gate-Prozesse: Trennen inkrementelle von radikalen Innovationen.
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Open Innovation: Integriert Start-ups, Kund*innen und externe Partner gezielt.
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Corporate Venture Capital: Ermöglicht strategische Beteiligungen an Innovationsführern.
b. Agile Methoden
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Scrum & Kanban: Unterstützen schnelles Lernen und iterative Entwicklung.
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Design Thinking: Schärft Nutzerzentrierung und fördert kreative Lösungen.
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Lean Startup: Reduziert Risiko durch frühes Prototyping und Kundenfeedback.
c. Performance Management
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OKRs (Objectives and Key Results): Machen strategische Ambidextrie messbar.
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Balanced Scorecard: Verbindet klassische Kennzahlen mit Innovationsmetriken.
d. Kulturelle Instrumente
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Fehlerkultur: Ermöglicht Lernen ohne Gesichtsverlust.
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Innovationsbotschafter: Machen Ambidextrie in der Organisation sichtbar.
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Interne Innovationswettbewerbe: Aktivieren Potenziale in der Breite.
5. Strategische Implikationen: Ambidextrie als Wettbewerbsvorteil
a. Resilienz und Krisenfestigkeit
Ambidextre Organisationen sind in der Lage, sowohl schnell auf Störungen zu reagieren als auch systematisch Neues aufzubauen. Das macht sie robuster gegenüber externen Schocks.
b. Nachhaltiges Wachstum
Wer bestehende Geschäftsmodelle verbessert und gleichzeitig neue entwickelt, wächst stabiler – unabhängig von kurzfristigen Marktschwankungen.
c. Arbeitgeberattraktivität
Ambidextrie schafft ein Arbeitsumfeld, das gleichzeitig Sicherheit und kreative Entfaltung bietet. Das zieht Talente an, die nicht nur Leistung bringen, sondern auch Sinn suchen.
6. Erfolgsfaktoren und Stolpersteine
Erfolgsfaktoren:
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Klare Vision und Strategie
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Top-Management-Commitment
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Ausgewogene Ressourcenverteilung
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Transparente Kommunikation über Erfolge und Rückschläge
Stolpersteine:
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Silo-Denken zwischen Bereichen
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Überforderung im mittleren Management
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Fehlende Fehlerkultur und Unsicherheitsintoleranz

7. Ambidextrie erlebbar machen: The Secret Source of Innovation Summit 2025
Der zweite The Secret Source of Innovation Summit bietet eine Plattform für Erfahrungsaustausch, praxisorientierte Weiterbildung und wertvolle Kontakte. Das sind die Highlights:
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Keynotes von führenden CEOs und Innovations-Vordenker*innen
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Praxis-Workshops zu Ambidextrie-Strategien, agilem Arbeiten und Leadership
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Deep Dives zu Kulturwandel und organisationalem Lernen
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Networking über Unternehmensgrößen und Branchen hinweg
Ziel: Unternehmen dazu befähigen, operative Exzellenz und Innovationskraft systematisch zu verbinden – und dauerhaft davon zu profitieren.
Fazit: Ambidextrie ist das neue Betriebssystem erfolgreicher Unternehmen
Die Zukunft gehört den Organisationen, die nicht mehr in Entweder-oder-Kategorien denken, sondern Effizienz und Innovation als zwei Seiten derselben Medaille begreifen. Ambidextrie ist kein kurzfristiger Trend, sondern das Fundament für nachhaltigen Unternehmenserfolg im 21. Jahrhundert.
Starten Sie jetzt damit, operative Exzellenz mit Innovationskraft zu verbinden:
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Entwickeln Sie Strukturen, die beides ermöglichen.
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Fördern Sie Führungskräfte, die zwischen Stabilität und Veränderung navigieren können.
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Etablieren Sie eine Kultur, die Risikofreude nicht mit Chaos verwechselt, sondern als gezielte Stärke nutzt.
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Nutzen Sie Plattformen wie den Summit, um frische Impulse zu erhalten, neue Perspektiven zu gewinnen und Ihre Organisation ambidextrisch aufzustellen.
Ambidextrie ist die Führungsaufgabe unserer Zeit. Meistern Sie sie, um die Zukunft zu gestalten – für das Unternehmen, die Mitarbeitenden, die Gesellschaft. Sprechen Sie mit uns über Ihre Möglichkeiten.
1) Vgl. Raisch & Birkinshaw, 2008; O’Reilly & Tushman, 2013